Donnerstag, 11. April 2019

Brücken der Hoffnung - es gibt neuen Lesestoff (Buchrezension)










Heute gibt es wieder neuen Stoff von mir!

L.E.S.E.S.T.O.F.F.


Bereits vor Längerem hatte ich wieder das große Glück, mir ein Buch-Exemplar aus dem Katalog der Neuerscheinungen der Verlagsgesellschaften Freies Geistesleben und Urachhaus aussuchen zu dürfen.

Beide sind - wie viele von Euch schon von früheren Posts wissen - von mir hoch geschätzt, denn hier werden vorrangig Bücher mit viel Mensch, Natur und oft mit anthroposophischem und philosophischen Hintergrund verlegt.

Auch schon bevor mein jüngster Sohn zur Waldorfschule ging, war mir der Verlag Urachhaus lange ein Begriff, denn er bringt die schönsten Kinderbücher heraus, die ich meinen Kindern einfach zu gern vorlas, oder die wir zusammen einfach nur anschauten.

Angefangen bei den Jahreszeiten-Büchern und den Wichteln...die Farben und warmherzigen Zeichnungen sollten keinem Kind vorenthalten bleiben.









Dieses Mal hatte ich mich für das Buch


Brücken der Hoffnung


von Livia Britton-Jackson



entschieden, von dem ich Euch hier gern erzählen möchte, weil ich es so beeindruckend fand.

Dieses Buch ist ein Teil der Memoiren der Autorin, Livia Britton-Jackson, die gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrem Bruder das Konzentrationslager Auschwitz überlebte.

Das Buch hatte ich ganz intuitiv ausgesucht.
Ich weiß, dass heute viele der Ansicht sind, man solle das Thema "Drittes Reich" und "Auschwitz" endlich ruhen lassen, weil es nicht unsere Schuld, sondern die vergangener Generationen ist.
Das ist einerseits wohl richtig... Aber ich glaube dennoch, dass gerade die heutigen politischen Entwicklungen in Teilen Deutschland danach schreien, die Erinnerung wachzuhalten und zu mahnen, wohin der Weg gehen könnte - aber niemals mehr darf.


Der mir wohl wichtigste Satz des Buches ist:

"...DIESER JUNGE MENSCH HÄTTEST AUCH DU SEIN KÖNNEN!"

Bämm...der sass - denn wie wahr ist das?! Wir sollten das nie vergessen!

Zum anderen liebe ich aber Biographien.
Ich finde, sie helfen so schön, andere Zeiten und Umstände zu verstehen.

Und eines noch vorweg: "Brücken der Hoffnung" ist kein Buch, in dem die Schrecken und Grauen Nazideutschlands oder das (Über)Leben im Konzentrationslager Auschwitz beschrieben werden.
Das Buch ist auch keineswegs traurig oder vorwurfsvoll.









Es beschreibt "einfach" das Leben eines Teenagers, der knapp dem Tod entkommen ist, das Erlebte irgendwie verarbeitet, aber vor allem ganz schnell wieder positiv in die Zukunft sieht, während er  ansonsten die gleichen Sorgen und Nöte hat, wie andere junge Menschen noch heute auch.
Keine Spur von Hass oder Aufarbeitung - einfach für Dich und mich geschrieben, denn...
auch wir hätten es sein können.

Die Autorin, Livia Bitton-Jackson, schreibt über ihr Leben als 14-jährige Elli Friedmann, die 1944 mit dreizehn Jahren zusammen mit ihren Eltern und ihrem älteren Bruder Bubi von ihrem Heimatdorf im damaligen Ungarn nach Auschwitz deportiert wird.
Von Ihrem Bruder und Vater wird sie dort direkt getrennt und entgeht der Gaskammer nur deshalb, weil der Lagerarzt, der Todesengel von Auschwitz, Dr. Mengele, ihr Aussehen für arisch hält. Mit ihrer Mutter bleibt sie die ganze Zeit zusammen, während sie ihren Vater, der später im Lager Bergen-Belsen ermordet wird, nie wieder sieht.
Auf den Bruder treffen Mutter und Tochter zum Glück sofort nach der Befreiung des Lagers.

In einem positiven Stil, wie es dem 14-jährigen Mädchen wohl tatsächlich entsprach, beschreibt die erwachsene Livia nun, wie sie mit ihrer Mutter und Bubi zurück in ihre Heimatstadt kommt, das nun zur heutigen Slowakei gehört, dort ihr leeres Haus ohne Fenster vorfindet, und wie die drei dort ohne Zögern zusammen versuchen, aus den wenigen Resten ihres alten Lebens, die ihnen gelassen wurden, ein neues Leben aufzubauen.

Die Mutter beginnt für die Frauen der russischen Besatzer hübsche Kleider zu nähen, und Elli geht umgehend wieder zur Schule, in der nun nicht mehr die gleichen Mitschüler und gleichen Lehrer sind, und wo nun Slowakisch statt Ungarisch gesprochen wird.
Bubi geht nach Bratislava, wo er das Abitur nachholt, um studieren zu können.

Die Drei planen schon schnell, aus ihrer Heimat auszuwandern, und in einem anderen Land ein neues Leben zu beginnen. Bubi und die Mutter denken dabei an Amerika, während Elli, die sich mehr und mehr mit der Thora und den jüdischen Wurzeln auseinandersetzt, an Erez-Jis'rael, das heutige Israel denkt.

Sie sucht ihren Platz, in dem sie sich dem noch vorhandenen jüdischen Gemeindeleben des Städtchens anschließt. Dort verliebt sie sich zum ersten Mal, und immer mehr wächst in ihr der Wunsch, nach Israel - ins gelobte Land - auszuwandern.

Livia erzählt in ihrem Buch von den vielen Widrigkeiten, die Ella nun in den letzten Jahren ihres Teenagerlebens erfährt, aber auch von der Zeit, als sie psychisch fast zusammenbricht, weil sie so  verzweifelt nach dem Sinn des Lebens und der Liebe sucht und ihn nicht erkennt.

Diese große - und wohl mehr als verständliche - Krise der jungen Ella, die sie fast bis zur Magersucht führt, meistert sie mit der liebevollen Unterstützung ihres Bruders und ihrer Mutter.
Die Heilung kommt dann mit einem Aufenthalt in einem Sommercamp für jüdische Waisenkinder, die Ella als (viel zu junge) Betreuerin und Lehrerin der Grundlagen des Judentums in die herrliche Hohe Tatra begleitet.
Die klare Luft in der extremen Höhe dieser Bergwelt, die Arbeit mit den Kindern, helfen ihre selbst, gesund zu werden, ... und ein schreckliches Ereignis am Endes der Ferien lassen den Leser staunen, wie mutig dieses Mädchen, das schließlich selbst noch ein Teenager ist, ihren Weg macht.

Und da gibt es viele Widrigkeiten...
Ein Schwur, dass ihre Mutter, ihr Bruder und sie sich niemals mehr trennen werden, hält Ella davon ab, selbst nach Palästina zu gehen, wo die ersten Kibbuzim entstehen, obwohl sie sogar schon mit dem Gedanken spielt, sich dort der Hagana, der jüdischen Untergrundarmee in Palästina anzuschließen.
Sie sagt dazu kurze Zeit später selbst, als sie bereits als Lehrerin arbeitet: "»Was erfordert mehr Verantwortung: Mit einem Buch zu hantieren oder mit einer Waffe? Was ist effektiver oder auch tödlicher: ein Gewehr oder die Erziehung?«
Keine Frage, oder?!

Die Mutter und der Bruder entscheiden sich für Amerika, wo die Mutter als Schneiderin arbeiten und der Bruder studieren könnte.










Auswandern an sich ist aber ohnehin auch für Menschen mit einer Vergangenheit wie die der  Friedmanns nicht mehr einfach.
Da interessiert auch das Leid nicht, das man eventuell erlebt hat, denn - wie Ihr wißt - schlossen die Briten schon kurz nach dem Krieg zunächst die Grenzen für einreisende Juden, so dass ganze Schiffe voller Überlebender des Dritten Reiches vor Israel trieben, aber nicht anlegen durften.

Es wird im Buch außerdem auch schnell klar, dass es nach dem Krieg durchaus nicht so war, dass Juden nicht mehr verfolgt oder Ihnen mit Gewalt gedroht wurde, sondern dass es nach wie vor brutale Übergriffe gab, die auch Elli miterleben musste.

Auch, nach Amerika auszuwandern gestaltet sich zu Zeiten, als der eiserne Vorhang sich mehr und mehr zuzieht, immer schwieriger.
Ellas Bruder erhält offiziell die Ausreisegenehmigung, um in Amerika bei einem Bruder des Vaters zu leben und dort zu studieren. Ella und ihre Mutter nicht.
Dennoch entscheiden sich die Drei, dass Bubi gehen müsse, um studieren zu können, und um sich vielleicht von Amerika aus auch besser für Ella und ihre Mutter einsetzen zu können, damit sie nachreisen können.

Inzwischen arbeitet Ella tagsüber als Lehrerin an einem jüdischen Lyzeum und nachts als Untergrund-Helferin für ein geheimes Flüchtlingswerk, das jüdischen Flüchtlingen aus Russland und anderen Teilen des Ostblocks, die dort noch mit schlimmsten Repressalien zu kämpfen hatten, die Flucht in den Westen ermöglichte.
Als eine legitime Ausreise immer unwahrscheinlicher wird, geben sich Ella und ihre Mutter irgendwann selbst als solche aus und schmuggeln sich so in einen Treck, der sie in einer gefährlichen Nacht- und Nebelaktion, wie es sie damals so viele gab, über die grüne Grenze und die schon existierenden Todesstreifen nach Wien bringt.

Hier, im Aufganglager, erlebt Ella den bislang schönsten Sommer ihres Lebens mit einer Clique junger Männer, die alles für sie und ihre Mutter tun. Natürlich endet dieser Sommer nicht glücklich...

Und die Reise geht weiter in das Auffanglager nach Feldafing am Starnberger See, wo sie die vielen schwierigen Verhöre und Interviews, denen sich diejenigen, die nach Amerika auswandern wollen, unterziehen mussten, und in denen eine augenscheinlich falsch beantwortete Frage Lebensträume zerstören konnte, stellen.

Erst 1951 erhalten Ella und ihre Mutter die offizielle Einreisegenehmigung in die Vereinigten Staaten von Amerika und kommen am 7. April 1951 in New York an.










Ihr merkt es schon!

Ich konnte mich nicht kurzfassen, so fasziniert hat mich das Buch.

Wenn man sich anbietet, ein Buch zu rezensieren, und dieses dann zugeschickt bekommt, kann sich das auch als persönlicher Fehlgriff entpuppen, und dann ist es eine wahre Qual, das Buch zu Ende zu lesen.

Bislang hatte ich immer Glück, und die Bücher waren wirklich nach meinem Gusto und gerade
"Brücken der Hoffnung" hat mich völlig mitgerissen.

Vergesst nicht:
"...DIESER JUNGE MENSCH HÄTTEST AUCH DU SEIN KÖNNEN!"

Ein absolut lesenswertes Buch.
Ich hatte Euch ja schon einmal erzählt, dass ich mich schwer damit tue, schnell zu lesen.
Ich kann es einfach nicht...bitte kommentiert das jetzt auch gar nicht erst..., aber dieses Buch hatte ich in kürzester Zeit durchgelesen.

Unbedingt erwähnen möchte ich noch, dass dieses Buch durchaus nicht nur für erwachsene Leserinnen und Leser geeignet ist, sondern auch ungeheuer lesenswert für unsere Teenager ist.

Vielleicht konnte ich den einen der anderen von Euch ja inspirieren und Ihr nehmt das Buch einmal zur Hand?
Ihr dürft mir dann gern in den Kommentaren schreiben, wie es Euch gefallen hat.

Bis dahin,
liebste Grüße von

Eurer Lillewind




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